Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt, dass die Finanzbehörden auch bei Mittelbetrieben, Kleinbetrieben und Kleinstbetrieben weder durch die Abgabenordnung noch durch die Betriebsprüfungsordnung (Steuer) an einen bestimmten Prüfungsturnus gebunden sind und daher auch solche Betriebe einer Anschlussprüfung unterwerfen können.

Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage bedarf es daher des Vortrags neuer Gesichtspunkte, deretwegen eine erneute höchstrichterliche Befassung mit dieser Frage erforderlich erscheint.
Mit dieser Begründung hat der Bundesfinanzhof aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Finanzgerichts Hamburg[1] als unzulässig verworfen; es wird vom klagenden Freiberufler nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügend dargelegt, dass die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes erfüllt sein können:
Der Freiberufler hält die Rechtssache für grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil seine freiberufliche Praxis als Kleinstbetrieb einzuordnen und ihm gegenüber für die Streitjahre eine nahtlos an die geprüften Vorjahre anknüpfende Anschlussprüfung angeordnet worden sei. Die Begründung der Beschwerde genügt jedoch den Anforderungen aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen[2].
Der Freiberufler formuliert bei wohlwollender Auslegung der Beschwerdebegründung die von den Umständen des Streitfalls abstrahierte Rechtsfrage, ob die Finanzbehörden bei freiberuflichen Einzelbetrieben Anschlussprüfungen anordnen dürfen, die nahtlos an die geprüften Vorjahre anknüpfen. Er legt jedoch nicht dar, warum diese Rechtsfrage klärungsbedürftig sein soll. Der Bundesfinanzhof hat bereits entschieden, dass die Finanzbehörden auch bei Mittelbetrieben, Kleinbetrieben und Kleinstbetrieben weder durch die Abgabenordnung noch durch die Betriebsprüfungsordnung (Steuer) an einen bestimmten Prüfungsturnus gebunden sind und daher auch solche Betriebe einer sog. Anschlussprüfung unterwerfen können[3]. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage hätte der Freiberufler sich mit dieser Rechtsprechung auseinandersetzen und Gesichtspunkte verdeutlichen müssen, nach denen eine erneute höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage erforderlich ist. Daran fehlt es. Der Freiberufler führt nur an, die aufgeworfene Rechtsfrage habe für alle Kleinstbetriebe Bedeutung.
Soweit der Freiberufler geklärt sehen will, ob ihm gegenüber gemäß § 193 Abs. 1 AO eine an die geprüften Vorjahre nahtlos anschließende Anschlussprüfung ohne Ermessensverstoß angeordnet werden durfte, wirft er keine abstrakt klärungsbedürftige „Rechtsfrage“ auf. Diese Frage betrifft nur den Streitfall als Einzelfall und ist nicht abstrakt klärungsbedürftig[4].
Die Revision ist nicht zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, weil der Freiberufler die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen abstrakten Rechtsfrage zur Zulässigkeit einer Anschlussprüfung bei Kleinstbetrieben nicht darlegt. Dieser Zulassungsgrund stellt einen Spezialfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dar und setzt ebenfalls eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus[5].
Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO werden nicht den Anforderungen aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
Die schlüssige Rüge einer Divergenz erfordert die Darlegung, dass das Finanzgericht bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof oder ein anderes Finanzgericht. Gleiches gilt für Entscheidungen eines anderen obersten Bundesgerichts. Dabei muss das Finanzgericht seinem Urteil einen entscheidungserheblichen (tragenden) abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Im Einzelnen sind für die schlüssige Rüge einer Divergenz gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO die angeblichen Divergenzentscheidungen genau -mit Datum und Aktenzeichen oder Fundstelle- zu bezeichnen sowie tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgericht einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits gegenüberzustellen, um die Abweichung deutlich zu machen. Dies erfordert auch die Darlegung, dass es sich im Streitfall um einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt handelt, so dass sich in der angefochtenen Entscheidung und in der Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage stellt[6].
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Freiberufler benennt mit dem BFH-Urteil vom 24.01.1985[7] zwar eine vermeintliche Divergenzentscheidung. Er verdeutlicht aber nicht -wie für eine Divergenz erforderlich-, hinsichtlich welcher die Vorentscheidung tragenden abstrakten Rechtssätze das Finanzgericht „im Grundsätzlichen“ von einem ebensolchen tragenden Rechtssatz des Bundesfinanzhofs, Urteils in BFHE 143, 210 , BStBl II 1985, 568 abgewichen sein soll. Auch legt der Freiberufler nicht dar, dass die beiden Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte vergleichbar sind.
Auch die Voraussetzungen der vom Freiberufler behaupteten Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO werden nicht dargelegt.
Soweit der Freiberufler geltend macht, die Übertragung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin habe im Streitfall zu einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO geführt, fehlt es an einer substantiierten Erläuterung der maßgeblichen Voraussetzungen.
Das Finanzgericht hat im Streitfall von der ihm nach § 6 Abs. 1 FGO gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach Eingang der Klagebegründung und Klageerwiderung den Rechtsstreit durch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28.06.2021 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zu übertragen. Dieser Beschluss ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar.
Eine (vermeintlich) fehlerhafte Anwendung des § 6 FGO kann deshalb regelmäßig nicht mit der Revision (§ 124 Abs. 2 FGO) und somit auch nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden. Die in § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 FGO für eine Übertragung des Rechtsstreits aufgeführten materiellen Voraussetzungen, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat, sind dabei nicht als tatbestandliche Voraussetzungen für das Übertragungsermessen des Finanzgericht, sondern lediglich als der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht entzogene Leitlinien eines dem Finanzgericht eingeräumten Ermessens zu verstehen[8]. Eine Besetzungsrüge mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FGO für eine Übertragung auf den Einzelrichter hätten nicht vorgelegen, kann deshalb nur ausnahmsweise Erfolg haben, so etwa dann, wenn sich die Übertragung auf den Einzelrichter als „greifbar gesetzeswidrig“ erweist. Dies ist eine Entscheidung aber nur dann, wenn sie mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist[9].
Mit der pauschalen Behauptung, die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter sei verfahrensfehlerhaft -wie sie vorliegend der Freiberufler erhebt-, kommt eine greifbare Gesetzeswidrigkeit jedenfalls nicht in Betracht[9].
Mit der weiteren (pauschal erhobenen) Rüge, die Einzelrichterin habe gegen ihre Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union aus Art. 267 AEUV verstoßen, wird schon dem Grunde nach kein Verfahrensfehler des Finanzgericht dargelegt. Das Finanzgericht ist als erstinstanzliches Gericht gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Unionsgerichtshofs einzuholen[10].
Mit seinem Vorbringen, das Finanzgericht habe bei seiner Prüfung der Ermessensentscheidung (§ 102 FGO) des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) zum Erlass der Prüfungsanordnung verkannt, dass die angeordnete Anschlussprüfung unverhältnismäßig sei, macht der Freiberufler keinen Revisionszulassungsgrund geltend, sondern rügt die falsche materielle Rechtsanwendung durch das Finanzgericht, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt[11].
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Juni 2022 – VIII B 105/21
- FG Hamburg, Urteil vom 23.08.2021 – 3 K 53/21[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 15.10.2021 – VIII B 130/20, BFH/NV 2022, 97, Rz 3[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 14.03.2006 – IV B 14/05, BFH/NV 2006, 1253, unter II.; vom 20.10.2003 – IV B 67/02, BFH/NV 2004, 311[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2022, 97, Rz 3[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 24.07.2017 – XI B 25/17, BFH/NV 2017, 1591, Rz 25; vom 02.01.2018 – XI B 81/17, BFH/NV 2018, 457, Rz 16; vom 14.07.2020 – XI B 1/20, BFH/NV 2020, 1258, Rz 13[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 08.12.2021 – IX B 81/20, BFH/NV 2022, 231, Rz 8, 9[↩]
- BFH, Urteil vom 24.01.1985 – IV R 232/82, BFHE 143, 210, BStBl II 1985, 568[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 01.09.2016 – VI B 26/16, BFH/NV 2017, 50, Rz 4, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2017, 50, Rz 5, m.w.N.[↩][↩]
- BFH, Beschluss vom 15.10.2019 – VIII B 70/19, BFH/NV 2020, 212, Rz 21[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss in BFH/NV 2022, 97, Rz 18[↩]