Kooperation von Steuerberatern und die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung

Für die Anwendung der so genannten Sozienklausel genügt eine Kooperation (hier: zwischen Steuerberatern) nicht. Die Grundsätze der Repräsentantenhaftung gelten im Rahmen einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nicht.

Kooperation von Steuerberatern und die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in dem Fall zweier Brüder, die beide als Steuerberater tätig waren:

Deckungsprozess und Trennungsprinzip

Nach dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip ist grundsätzlich im Haftpflichtprozess zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber haftet. Ob der Versicherer dafür eintrittspflichtig ist, wird im Deckungsprozess geklärt. Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Sie bedeutet, dass das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die ihr zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können und müssen[1].

Die Bindungswirkung geht aber nicht weiter, als sie danach geboten ist. Das ist nur insoweit der Fall, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist, also Voraussetzungsidentität vorliegt. Nur dann ist es gerechtfertigt anzunehmen, eine Feststellung sei Grundlage für die Entscheidung im Haftpflichtprozess. Die Begrenzung der Bindungswirkung auf Fälle der Voraussetzungsidentität ist insbesondere deshalb geboten, weil der Versicherungsnehmer und der Versicherer keinen Einfluss darauf haben, dass der Haftpflichtrichter „überschießende“, nicht entscheidungserhebliche Feststellungen trifft oder nicht entscheidungserhebliche Rechtsausführungen macht[2]

An der Voraussetzungsidentität fehlt es hier. Zwar wird im Haftpflichturteil ausdrücklich festgehalten, dass der damalige Zweitbeklagte und jetzige Kläger nicht nach den Grundsätzen der Scheinsozietät hafte, weil der damalige Kläger, Herr D. , keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen habe, dass aus seiner Sicht bei Abschluss des Treuhandvertrages vom Bestehen einer Steuerberatersozietät auszugehen gewesen sei. Diese Feststellung war aber für die Entscheidung der Haftungsfrage nicht entscheidungserheblich. Die Verurteilung des Klägers wurde damit begründet, dass der Kläger persönlich als Mitgesellschafter der BGB-Gesellschaft, zu der er sich mit seinem Bruder im Rahmen des Treuhandvertrages zusammengeschlossen habe, für das fehlerhafte Verhalten seines Bruders hafte. Daher kam es im Haftpflichtprozess nicht darauf an, ob darüber hinaus eine Scheinsozietät zwischen dem Kläger und seinem Bruder bestand.

Kooperation ist keine Sozietät

Allerdings sind der Kläger und sein Bruder nicht als Sozien i.S. von § 12 I 1 AVBS tätig geworden.

Diese Klausel setzt voraus, dass Berufsangehörige ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich ausüben, wobei es nicht darauf ankommt, ob sie durch Gesellschaftsvertrag oder einen anderen Vertrag miteinander verbunden sind. Dies versteht ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer der hier betroffenen Berufsgruppe der Steuerberater so, dass es genügt, wenn die Berufsangehörigen den Anschein erwecken, Mitglieder einer Sozietät zu sein. Der Rechtsschein einer Sozietät wird dadurch gesetzt, dass die beteiligten Berufsträger in einem gemeinsamen Büro tätig sind, nach außen durch die einheitliche Verwendung von Briefkopf, Stempel, Praxisschild oder Kanzleibezeichnung auftreten und Aufträge gemeinsam entgegennehmen[3]. In einem damit korrespondierenden Verständnis der Sozienklausel wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer bei der Beklagten genommenen VermögensschadenHaftpflichtversicherung dadurch bestärkt, dass die Beklagte schon in dem von ihr herausgegebenen Antragsformular bei der Frage, ob der Beruf nach außen hin mit (einem) anderen gemeinschaftlich ausgeübt werde, erläuternd in Klammern hinzufügt: „gemeinschaftlicher Briefkopf, gemeinsame Türschilder o.ä.“

Den Rechtsschein einer Sozietät begründende Umstände sind weder vom Berufungsgericht festgestellt worden noch sonst ersichtlich.

Der Rechtsschein einer Sozietät wurde nicht schon dadurch gesetzt, dass der Bruder des Klägers in dem Versicherungsantrag gegenüber der Beklagten angab, er übe seinen Beruf nach außen gemeinschaftlich mit dem Kläger aus. Die Annahme einer Sozietät erfordert nach § 12 I 1 AVBS eine gemeinschaftliche Berufsausübung nach außen und nicht nur die Ankündigung oder Behauptung einer solchen Verbindung gegenüber dem Versicherer. Dass bei der Beklagten dadurch der unrichtige Eindruck einer Sozietät entstanden sein kann, genügt nicht. Ihren Interessen wird durch die mögliche Nachforderung von Prämien oder die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen Falschangaben bei Vertragsschluss Rechnung getragen.

Dabei kann dahinstehen, ob die gemeinsame Berufsausübung erkennbar auf Dauer angelegt sein muss oder ob der Rechtsschein einer Sozietät schon durch das erste gemeinschaftliche Geschäft gesetzt werden kann. Jedenfalls sind der Kläger und sein Bruder gegenüber Herrn D. nicht als miteinander verbundene, sondern als eigenständige Steuerberater aufgetreten.

Eine Kooperation wird im Rechtsverkehr nicht einer Sozietät gleichgestellt. Für Steuerberater enthält § 56 Abs. 5 Satz 1 StBerG eine Legaldefinition der Kooperation. Danach dürfen Steuerberater und Steuerbevollmächtigte eine auf einen Einzelfall oder auf Dauer angelegte berufliche Zusammenarbeit, der nicht die Annahme gemeinschaftlicher Aufträge zugrunde liegt, mit Angehörigen freier Berufe i.S. des § 1 Abs. 2 PartGG sowie von diesen gebildeten Berufsausübungsgemeinschaften eingehen. Dazu gehören auch Kooperationen zwischen Steuerberatern.

Ein Kooperationsvertrag, dessen Inhalt im Gesetz nicht geregelt ist, kann unterschiedlicher Rechtsnatur sein. Es kann sich um einen rein schuldrechtlichen Vertrag mit Elementen des Geschäftsbesorgungs- und Werkvertrages handeln[4]. Bei einer auf Dauer angelegten verfestigten Kooperation kann auch eine Innengesellschaft begründet werden, welche die rechtliche und unternehmerische Selbstständigkeit der beteiligten Partner unberührt lässt; diese regeln ihre Zusammenarbeit intern, ohne die Bindungen einer Sozietät und die damit verbundene gesamtschuldnerische Haftung einzugehen[5]. Unabhängig von der genauen rechtlichen Einordnung steht der deutliche Hinweis auf eine Kooperation dem Rechtsschein einer Außensozietät entgegen[6]. Denn die Kooperation ist in der Vorstellung des Verkehrs nur auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ohne bestimmte gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen, nicht aber auf eine gemeinschaftliche Berufsausübung im Sinne der Sozienklausel angelegt[7].

Da schon die Voraussetzungen der Sozienklausel nicht erfüllt sind, kann hier dahinstehen, ob sie als überraschende Bestimmung i.S. von § 3 AGBG a.F. nicht Vertragsbestandteil geworden oder i.S. von § 9 Abs. 1 und 2 Nr. 2 AGBG a.F. wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam ist.

Schließlich muss sich der Kläger die wissentliche Pflichtverletzung seines Bruders nicht nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zurechnen lassen. Diese finden entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Rahmen einer Berufshaftpflichtversicherung keine Anwendung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Versicherungsnehmer für das – selbst vorsätzliche – Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen. Der Grund der Haftungszurechnung liegt darin, dass es dem Versicherungsnehmer nicht freistehen darf, den Versicherer dadurch schlechter und sich besser zu stellen, dass er einen Dritten für sich handeln lässt[8]. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht allein nicht aus. Der Repräsentant muss vielmehr befugt sein, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln, und damit die Risikoverwaltung übernommen haben[9]. Die Zurechnung zum Nachteil des Versicherungsnehmers darf nur so weit gehen, wie es sich um Handlungen oder Unterlassungen des Dritten handelt, die zu dem Verantwortungsbereich des Versicherungsnehmers selbst gehören.

Eine solche Verlagerung der Verantwortlichkeit kommt in der VermögensschadenHaftpflichtversicherung nicht in Betracht. Bei ihr besteht das versicherte Risiko in der Verletzung von Pflichten des Versicherungsnehmers bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. Diese Pflichten können nur von dem Versicherungsnehmer selbst oder von solchen Hilfspersonen verletzt werden, für die er gemäß § 278 Satz 1 BGB oder § 831 BGB einzustehen hat. Der Versicherungsnehmer kann seine berufliche Tätigkeit nicht vollständig auf einen anderen Berufsträger, etwa einen Sozius, übertragen. Andere Berufsträger, die im Rahmen einer Sozietät oder unabhängig von einer vertraglichen Bindung ihren Beruf mit dem Versicherungsnehmer i.S. von § 12 I 1 AVBS nach außen hin gemeinschaftlich ausüben, nehmen dabei ausschließlich ihre eigenen Berufspflichten, nicht die des Versicherungsnehmers wahr. Ihre Berufsausübung gehört nur zu ihrem eigenen Verantwortungsbereich, nicht zu dem des Versicherungsnehmers. Eine Verwaltung des Risikos, das sich aus der Berufsausübung des Versicherungsnehmers ergibt und durch seine Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt ist, kann ein Dritter nicht wahrnehmen. Deshalb scheidet eine Repräsentantenhaftung im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung auch im Verhältnis zwischen (Schein-)Sozien aus.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Mai 2011 – IV ZR 168/09

  1. ständige Rechtsprechung: BGH, Urteile vom 08.12.2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011, 203 Rn. 10; vom 24.01.2007 – IV ZR 208/03, VersR 2007, 641 Rn. 8; vom 28.09.2005 – IV ZR 255/04, VersR 2006, 106; vom 18.02.2004 – IV ZR 126/02, VersR 2004, 590 unter III 1; vom 20.06.2001 – IV ZR 101/00, VersR 2001, 1103; jeweils m.w.N.[]
  2. BGH, Urteile vom 08.12.2010 aaO Rn. 11; vom 24.01.2007 aaO; vom 28.09. 2005 aaO; vom 18.02.2004 aaO; jeweils m.w.N.[]
  3. vgl. für Rechtsanwälte: BGH, Urteile vom 16.04.2008 – VIII ZR 230/07, NJW 2008, 2330 Rn. 10; vom 08.07.1999 – IX ZR 338/97, NJW 1999, 3040; vom 24.01.1991 – IX ZR 121/90, NJW 1991, 1225; vom 24.01.1978 – VI ZR 264/76, BGHZ 70, 247, 249 m.w.N.; für Steuerberater: BGH, Urteil vom 17.10.1989 – XI ZR 158/88, VersR 1990, 97, m.w.N.[]
  4. Kamps/Wollweber, DStR 2009, 926, 931; Henssler/Deckenbrock, DB 2007, 447; jeweils m.w.N.[]
  5. Hartung in Henssler/Streck, Handbuch des Sozietätsrechts Teil J Rn. 30, 36; Henssler/Prütting/Hartung, Bundesrechtsanwaltsordnung 03. Aufl. § 59a Rn. 120 f.; Kamps/Wollweber aaO m.w.N.; Henssler/Deckenbrock aaO m.w.N.[]
  6. vgl. Hartung aaO Rn. 30; Henssler/Deckenbrock, DB 2007, 447, 449 m.w.N.[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 21.01.1993 – I ZR 43/91, NJW 1993, 1331[]
  8. BGH, Urteil vom 14.03.2007 – IV ZR 102/03, BGHZ 171, 304, 306 Rn. 8 m.w.N.[]
  9. BGH, Urteile vom 10.07.1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996, 1229; vom 21.04.1993 – IV ZR 34/92, BGHZ 122, 250, 252 f.[]